Donnerstag, 9. Juni 2011

Das Bundesverfassungsgericht: Mündliche Verhandlung in Sachen „Griechenland-Hilfe / Euro-Rettungsschirm“


Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am 5. Juli 2011, 10:00 Uhr, im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts, Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe über Verfassungsbeschwerden, die sich gegen deutsche und europäische Rechtsakte sowie weitere Maßnahmen richten, die im Zusammenhang mit der Griechenland-Hilfe und dem Euro-Rettungsschirm im Raum der Europäischen Währungsunion stehen.
 
I. Griechenland-Hilfe 

Im Mai 2010 stellten die Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe auf Antrag Griechenlands im Zusammenhang mit einem dreijährigen Programm des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhebliche Finanzhilfen bereit und versprachen, Griechenland mit bilateralen Darlehen zu unterstützen. 
Um die erforderlichen Maßnahmen auf nationaler Ebene zu treffen, verabschiedete der Deutsche Bundestag am 7. Mai 2010 das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik. 
Dieses Gesetz ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 22,4 Milliarden Euro für Kredite an Griechenland zu übernehmen. Einen hiergegen gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Bundesverfassungsgericht ab (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Mai 2010 - 2 BvR 987/10 -, BVerfGE 125, 385, Pressemitteilung Nr. 30/2010 vom 8. Mai 2010).  

II. Euro-Rettungsschirm 

Ebenfalls noch am 7. Mai 2010 kamen die Staats- und Regierungschefs der Euro-Gruppe in Brüssel zusammen und vereinbarten, dass die EU-Kommission einen europäischen Stabilisierungsmechanismus zur Wahrung der Finanzmarktstabilität in Europa vorschlagen sollte („Euro-Rettungsschirm“). 
Der Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN-Rat) beschloss daraufhin die Schaffung eines europäischen Stabilisierungsmechanismus. Dieser setzt sich zusammen aus dem auf eine EU-Verordnung gestützten europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und aus der europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). 
Die EFSF ist eine Zweckgesellschaft zur Gewährung von Darlehen und Kreditlinien, die auf einer zwischenstaatlichen Vereinbarung der Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe beruht. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) ließ sich in den neuen Ansatz einbeziehen, indem sie ein „Programm für die Wertpapiermärkte“ beschloss. Unter anderem ermächtigte der EZB-Rat dabei die Zentralbanken des Eurosystems, Schuldtitel, die von Zentralstaaten oder öffentlichen Stellen der Euro-Mitgliedstaaten begeben werden, auf dem Sekundärmarkt anzukaufen (ABl Nr. L 124/8). 
Die Verordnung (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. Mai 2010 zur Einführung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (ABl Nr. L 118/1) stützt sich auf Art. 122 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Danach kann einem Mitgliedstaat, der aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht ist, ein finanzieller Beistand der EU gewährt werden. 
Um auf nationaler Ebene die Voraussetzungen für die Leistung finanziellen Beistands über die EFSF zu schaffen, verabschiedete der Deutsche Bundestag am 21. Mai 2010 das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus. 
Dieses Gesetz ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, Gewährleistungen zur Absicherung von Krediten bis zu einer Höhe von 147,6 Milliarden Euro zu übernehmen, die die EFSF aufnimmt. Auch einen hiergegen gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Bundesverfassungsgericht ab (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 9. Juni 2010 - 2 BvR 1099/10 -, BVerfGE 126, 158, Pressemitteilung Nr. 38/2010 vom 10. Juni 2010).  

III. Beschwerdevorbringen 

Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, dass die ergriffenen Maßnahmen Unionsrecht verletzen und Ultra-Vires-Handeln darstellen; sie rügen unter anderem die Verletzung ihres Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 GG sowie eine Beeinträchtigung des Wahlrechts aus Art. 38 Abs. 1 GG, insbesondere unter den Aspekten einer Verletzung des Demokratieprinzips und einer Beeinträchtigung der Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages. 
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet in diesen Pilotverfahren erstmals in der Hauptsache über verfassungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Griechenland-Hilfe und dem Euro-Rettungsschirm. Beim Bundesverfassungsgericht sind zahlreiche weitere Verfassungsbeschwerden zu diesen Themenkomplexen anhängig, über die anschließend zu entscheiden sein wird.

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